Von 0 bis 99 - Deutsch-französischer Online-Erfahrungsaustausch für Engagierte im intergenerationellen Dialog

Von 0 bis 99 - Deutsch-französischer Online-Erfahrungsaustausch für Engagierte im intergenerationellen Dialog

In Deutschland und Frankreich arbeiten viele engagierte Menschen daran, Verbindungen zwischen Menschen verschiedenen Alters lebendig und sinnstiftend zu gestalten. Einsamkeit im Alter zu verhindern und den intensiven Austausch zwischen Menschen verschiedener Generationen zu stärken sind Aufgaben, welche die französische und die deutsche Gesellschaft gemeinsam haben.

Die Vereine Peuple et Culture und Europa Direkt e.V. sind der Meinung, dass der Deutsch-Französische Bürgerfonds eine gute Möglichkeit bietet mit intergenerationellen Projekten an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe mitzuarbeiten.

Die Frage nach der Teilhabe älterer Menschen und dem Zusammenleben der Generationen stellt sich in Zeiten der Corona-Pandemie ganz besonders. Welcher ist der richtige Weg, um ältere Personen zu schützen, ohne sie komplett zu isolieren? Diese dringenden aktuellen Fragen möchten wir in einem Online-Format mit deutschen und französischen Teilnehmenden diskutieren und genau nachfragen, wie das Zusammenleben der verschiedenen Generationen im Moment in beiden Ländern aussieht.

Hierzu fand im Dezember 2020 ein Online-Austausch für Fachkräfte statt.


Vielfältige Erfahrungen der Teilnehmenden

Teilnehmende aus sehr unterschiedlichen Bereichen berichteten von ihren Erfahrungen : Ausbilderinnen aus der Kranken- und Altenpflege, MitarbeiterInnen aus Mehrgenerationenhäusern und aus einem Theater, eine Juniorbotschafterin des DFJW, VertreterInnen der Vereine Le petit frere des pauvres, Tom et Josette, Tous en tandem, Mosaique – Haus der Kulturen sowie Engagierte aus dem Bereich der deutsch-französischen Städtepartnerschaften.


Input von zwei Expertinnen

In jeder der beiden Online-Sessions bekamen wir einen kurzen Input.

Mélissa Petit, Soziologin und Gründerin der Plattform mixinggenerations gab einen Überblick über die Herausforderungen des intergenerationellen Dialogs :

• Sie erinnerte daran, dass « SeniorInnen » eine überaus heterogene Gruppe darstellen und nicht als einheitliche Zielgruppe betrachtet werden können.

• Bei Projekten müsse im Vorfeld definiert werden, welche Rolle die Teilnehmenden einnehmen : Sind sie KonsumentInnen eines Programms, das man Ihnen präsentiert, sind sie selbst aktiv oder können sie das Projekt sogar selber mitgestalten ?

• Ältere Menschen sind oft sehr engagiert. Sie haben allerdings andere Ansprüche an die Organisation und die Kommunikation.

• Engagierte ältere Menschen erwarten, von ihrem Engagemant etwas zurückzubekommen – in Form von positiven Momenten und neuen Kontakten. Hierfür sind sie bereit, einen Teil ihrer Zeit zu investieren.

• Ältere Menschen definieren sich oft nicht über ihr Alter und den mit dem Alter einhergehenden Einschränkungen. Es ist wichtig, niemanden zu verunsichern, indem ein zu großes Augenmerk auf Krankheit und Defiziten liegt. Auch ältere Menschen definieren sich in erster Linie über ihre Interessen und Fähigkeiten. Diese müssen wertgeschätzt werden.

• Aus diesem Grund ist es nicht einfach, « ältere Menschen » für Projekte zu rekrutieren, da diese sich eher über bestimmte soziale Rollen (z.B. Großeltern) oder über ihre Interessen definieren.

Ina Voelcker, Leiterin Geschäftsstelle Internationale Altenpolitik von der BAGSO - Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. sprach über die Probleme für ältere Menschen in Deutschland in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

• Die Corona-Pandemie hat Kontakte zwischen den Generationen eingeschrämkt

• Es haben sich aber auch vielfältige Initiativen gebildet, die z.B. angeboten haben für ältere Menschen, die als Risikopatienten gelten, Einkäufe zu erledigen. Bei solchen Initiativen spielt Vertrauen eine große Rolle, weswegen sich das Nutzen von vorhandenen und bekannten Strukturen wie etwa das Rote Kreuz oder die freiwillige Feuerwehr bewährt hat, um die bestehende Vertrauensbasis zu nutzen.

• Viele ältere Menschen fühlten sich von der pauschalen Einordnung als Risikogruppe bevormundet und forderten ein Recht auf Mitbestimmung. Die BAGSO vertritt diese Foderungen.

• Die Digitalisierung interessiert Menschen in Deutschland und es gibt viele erfolgreiche Projekte. Die Bagso organisierte etwa einen Karrikaturenwettbewerb zu dem Thema und es gibt z.B. den Digitalkompass und das Weiterbildungsangebot Wissensdurstig


Themen

In Kleingruppen tauschten sich die Teilnehmenden über verschiedene Themen aus und verglichen jeweils die Situation in Deutschland und Frankreich.

• Finanzielle Situation im Alter : in finanzieller Hinsicht gibt es Ungleichheiten bei Renten, aber Geld allein macht nicht glücklich!

• Einsamkeit : das Älterwerden zu zweit ist nicht das gleiche wie das Altern allein (nicht als Paar), Vereinsamung kann nicht mit höheren Renten bekämpft werden

• Frauen im Alter : die Frage der Frauen, die alleine sind und sehr kleine Renten haben ist in beiden Ländern ein echtes Problem.

• Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Extremsituationen : In Extremsituationen wie Hitzewellen oder der Coronakrise kann intergenerationelle Hilfe einen wichtigen Beitrag leisten

• Altenpflegeheime : Personalmangel in Altenpflegeheimen ist in beiden Ländern ein großes Thema und wird heiß diskutiert, in Frankreich geht man aber eher für Proteste auf die Straße

Kinderbetreuung in Altenheimen kann die Pflegekräfte entlasten und somit Personalmangel entgegenwirken und gleichzeitig zum intergenerationellen Austausch beitragen

• Integration : Fragen der Integration z.B. von Spätaussiedlern bzw. Personen, die die Sprache des Landes in dem sie leben nicht sprechen stellen sich auch noch im höheren Alter


Perspektiven

• Fortsetzung des Projektes 0-99 Diese Veranstaltung war als Ersatz für ein Präsenzseminar organisiert worden und als Einführung gedacht. Sobald die Gesundheitslage es zulässt wird eine Präsenzveranstaltung in Dresden und eine Rückbegegnung in der Region Ile de France geplant.

• Projektideen der Teilnehmenden Es wird ein Projekt mit dem Verein Le Petit Frere des Pauvres geplant, welcher sich mit dem Theater Le Carreau in Forbach vernetzen konnte. Zum Thema Theater fand sich außerdem eine Gruppe von Teilnehmenden, die hierzu gemeinsam etwas planen wollen. Für ein Kulturzentrum wird ein französischer Partner gesucht.

• Intergenerationelle Checkliste für Projektträger In Bezug auf die intergenerationelle Arbeit erscheint es uns als eine wichtige Aufgabe, Menschen verschiedenen Alters für deutsch-französische Formate zu interessieren und Projekte zu unterstützen, die nicht eine Altersgruppe als Zielgruppe habven, sondern schon in der Planungsphase breiter aufgestellt sind. Hierfür kann es ganz konkret nützlich sein, sich bewusst zu machen welche Aspekte eines Projektes, sowohl im Programm, als auch in den Rahmenbedingungen Menschen motivieren, aber auch abschrecken können. Wir denken an eine « Intergenrationalitäts-Checkliste für Deutsch-Französische Projekte » die gemeinsam mit verschiedenen Vereinen, welche Erfahrungen mit verschiedenen Zielgruppen haben, erarbeitet wird. Europa Direkt e.V. und Peuple et Culture werden hieran arbeiten.

• Das Format einer Deutsch-französischen Partnerbörse auf andere Themen ausweiten

Das von uns ausprobierte Online-Format ist ein guter Weg Menschen aus Deutschland und Frankreich zusammenzubringen, die sich für ein gemeinsames Thema engagieren. Sie haben die Möglichkeit, sich in einem kleinen Rahmen kennenzulernen, die konsekutive Übersetzung und Sprachanimationen vermitteln eine interkulturelle Atmosphäre. So fällt es leichter, sich ein eigenes deutsch-französisches Projekt konkret vorzustellen.

Interview mit Sarah Neis

Zum Thema intergenerationeller Dialog spricht Sarah Neis auch in einem Interview mit dem Bürgerfonds